Dienstag, 19. November 2013

Die Maske des Trainers?!

Jetzt ist es doch einige Tage her seit ich meinen letzten Eintrag hier verfasst habe.
Ich war gesegnet mit Arbeit & Weiterbildung, was mir keine Zeit ließ, meine Gedanken auf Papier zu bringen.
Interessanterweise ist es genau die Weiterbildung, die Ihnen nun dieses Lesevergnügen (sagen Sie bloß nichts gegenteiliges!) beschert.
Um auf dem Laufenden zu bleiben, und weil man(n) ja auch nie auslernt, habe ich ein Seminar in Sachen Rhetorik besucht. Ich finde, man kann ruhig auch einmal Seminare besuchen, bei denen man das Gefühl hat, man sei eigentlich fit in dem Thema, denn irgend etwas Neues findet sich immer und es verhindert, dass man allzu betriebsblind wird.
Also habe ich mich freudig mit anderen KursteilnehmerInnen auf 2 ½ Tage Seminar vorbereitet. Was allerdings im Seminar passierte, hat mich doch sehr zum Nachdenken angeregt.
Wie wir ziemlich schnell feststellen durften, ging es in diesem Seminar nicht nur um Rhetorik, sondern um Kommunikation im allgemeinen, aber auch um ihre Facetten wie Körpersprache, Mimik etc. Doch auch rhetorische Formen und das Verbessern des eigenen Vortrags standen auf dem Programm. Und wie es heute üblich zu sein scheint, wurden wir Teilnehmer bei jedem unserer Vorträge, Statements und anderen Dingen gefilmt, damit wir uns hinterher selbst anschauen konnten.
Jeder Teilnehmer erlebte dabei die gleiche Prozedur.
Wir als Gruppe durften Feedback geben und die Leiterin des Kurses rundete dann das Gesehene mit Ihrer Auffassung der Dinge ab.
Nun bin ich ja auch der Meinung, dass bei einem Vortrag, einer Moderation oder einem Training Füllworte wie „äh“; „ähm“; „eigentlich“ sicher reduziert werden sollten, weil sie schlicht nerven, aber was wir in diesem Kurs erlebten...
Ich stelle hier mal ganz provozierend die Frage:
Müssen wir als Trainer so kontrolliert, so beherrscht und so aufmerksam sein, dass jede Geste, jedes Wort, jede Betonung, ja, jedes Zucken der Mundwinkel beabsichtigt ist? Würden Sie das von einem Lehrbeauftragten erwarten?
Ich frage deshalb, weil mir an meinen Kollegen auffiel, wie sehr alles ins maskenhafte abzugleiten drohte. Zum Schluss war nichts mehr authentisch oder natürlich. Allzu beherrscht wirkten die Gesten allzu akzentuiert die Betonungen, die Aussprache, die Formulierungen allzu glatt geschliffen.
Ich hatte das Gefühl, im Theater zu sitzen und einem Schauspiel beizuwohnen. Ehrlich gesagt fand ich es teilweise grauenhaft.
Wo bleibt die Lebendigkeit eines Lehrbeauftragten, wenn jede Emotion beherrscht wird? Wie kann man diesen Menschen, der die Absicht hat, mich zu erreichen, mich zu bewegen, ja, vielleicht sogar zu berühren, ernst nehmen, wenn man doch insgeheim spürt, dass Phrasen auswendig gelernt wirken, Gesten einstudiert, Betonungen gelernt? Wie echt kann so jemand noch wirken?
Je länger wir solche Dinge dann üben, desto konditionierter wird unser Verhalten, denn unser Gehirn bastelt aus genügend Wiederholungen eine Synapse, quasi den Bizeps im Kopf, denn der Muskel am Arm wird auch immer dicker, wenn wir nur genügend Wiederholungen einer Übung für ihn machen.
Wie viel bleibt vom Mensch noch übrig? Und wieder bleibt die Frage nach der Authentizität...
Ich bin kein Freund von Stephan Raab, sicher nicht, aber er ist für mich ein Beispiel, dass man mit gefühlten 10’000 „äh“ in 2 Minuten Moderation zur Speerspitze der Deutschen Unterhaltungsindustrie avancieren kann. Und auch sonst wirkt für mich sein Verhalten „echt.“ Der Erfolg scheint ihm also Recht zu geben.
Und auch wenn Herr Raab für mich keinesfalls für Bildungsfernsehen steht, so steht er für mich möglicherweise für Authentizität, für Persönlichkeit – egal, ob man ihn mag, oder nicht.
Sind es denn nicht Persönlichkeiten, die unsere Welt formen? Haben wohl die großen, geistigen Führer, Dichter, Denker und Philosophen dieser Welt erst einmal ein Rhetorikseminar besucht, bevor sie sich trauten, Ihre Ideen zu lehren?
Wohlgemerkt: ich spreche nicht von einem Aristoteles, einem Plato, Cicero oder Julius Cäsar. Menschen also, die Rhetorik in ihrer ureigensten Form gelernt haben. Mir geht es um Menschen wie z. Bsp. Albert Einstein, Menschen, die kein Blatt vor den Mund nahmen und durch ihre Reden die Welt verändert haben – oft auch zum Guten. Ich kann mir nicht vorstellen, dass jemand zu Jesus gesagt hat, ers solle seine Hände so oder so einsetzen, darauf achten, dass er „eigentlich“ aus seinem Wortschatz streichen sollte und ein aktiver Zuhörer sein müsse.
Gehören diese Dinge nicht zum gesunden Menschenverstand und legen sie sich nicht mit der Zeit, wenn einmal das Lampenfieber bezwungen ist?
Mir graut es vor einer uniformierten Sprache, vor Gesten, die nicht spontan sondern kontrolliert entstehen, auch, wenn das alles sicher gut gemeint ist.
Ich möchte Menschen vor mir haben, keine Marionetten, echte Gefühle spüren, keine Schauspielerei.
Selbstverständlich weiß ich, dass man all diese Dinge psychologisch erklären kann, dass es Gründe dafür gibt, manche Dinge auf verschiedene Arten zu formulieren, auch weiß ich, was die Vorteile aktiven Zuhörens sind und dass gewisse Phrasen Hilfestellungen sein können, an denen man sich entlanghangeln kann.
Doch wollen wir denn bei allem Wissen das wir erlernt haben nicht vergessen, dass ein Vortrag, eine Rede, ein Lehrthema erst dann wirklich bei uns ankommt, wenn es uns emotional berührt. Sprich: wenn das Herz mit dabei ist. Und das Herz spricht bekannterweise oft eine andere Sprache als der Verstand.
Für diese Sprache gibt es aber offensichtlich noch keine Rhetorikkurse.

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