Dienstag, 29. Oktober 2013

Wer was gelten will, muss andere gelten lassen...

Mit diesem Spruch von Johann Wolfgang von Goethe inspirierte mich Jörg Löhr zum aktuellen Beitrag – vielen Dank! Wer Jörg Löhr nicht kennt, hier ein kurzes Update: Jörg Löhr ist einer DER Erfolgstrainer in Deutschland. Beheimatet in Augsburg arbeitete Jörg Löhr schon mit solch illustren Persönlichkeiten wie Jürgen Klinsmann und holte Bill Clinton mal eben für einen Abend zu einer Veranstaltung als Redner nach Deutschland. Ich selbst durfte ihn vor einigen Jahren auch in einem Seminar genießen. Ich wähle bewusst den Begriff „genießen“, denn mit Herrn Löhr zu arbeiten ist ein Genuss. Er ist unter anderem auch eine Inspirationsquelle, die mich zu (m)eine Trainerlaufbahn angeregt hat. Aber nicht dass Sie jetzt sagen, er sei Schuld! Ja, wer was gelten will, muss andere gelten lassen. Vermutlich werden Sie jetzt gerade nicken und sich denken, „ist ja sowieso klar!“ Schließlich sind wir ja alle gut erzogen und haben gelernt: Ehre, wem Ehre gebührt. Trotz allem aber frage ich mich, ob wir denn auch alle nach dieser Maxime handeln? In meiner Vergangenheit habe ich mich u.a. sehr intensiv mit asiatischen Kampfkünsten auseinander gesetzt. Sollten Sie jemals das Vergnügen haben, ein echtes Dojo von innen zu sehen (nein, nicht die Turnhalle vom regionalen Turnverein mit seiner Karate-Abteilung), dann werden Sie dort auch immer Fotos der Meister sehen, in deren Tradition dort gelehrt wird. Man ehrt dort also sehr bewusst diejenigen, die etwas erschaffen oder geleistet haben. Wir hingegen kommen meist über ein paar Fotos unserer Liebsten und/oder Verwandten nicht hinaus. Warum fällt es uns manchmal so schwer, jemanden anders gelten zu lassen, selbst, wenn es nur dessen Meinung ist? Kommt da in uns unsere steinzeitliche Vergangenheit durch, die auf keinen Fall möchte, dass wir unsere Position am Feuer und damit an der Wärme in „Gefahr“ bringen? Besonders auffallend finde ich diesen „Mangel“ an willentlicher Anerkennung bei den sozialen Netzwerken wie Facebook, wo man ja unter einem Beitrag oder auf einer Seite mit einem „gefällt mir“ seine Anerkennung zeigen kann. Es ist ganz erstaunlich, was man dort beobachten kann. Ich selbst betreue dort drei Seiten, die man mit dem berühmten „gefällt mir“ anklicken kann, damit man mit den Neuigkeiten, Gedanken oder Beiträgen, die dort publiziert werden regelmäßig versorgt wird. Eine dieser Seiten ist meine eigene Seite „Stefan Trumpf – Training & Beratung“. Es ist ganz interessant, was ich im Zusammenhang mit meiner Seite und unserem Thema hier so erfahren darf. So lesen Menschen nachweislich (Statistiken sind toll!) regelmäßig meine Beiträge dort, oder auf den beiden anderen Seiten, aber zu einem „gefällt mir“ können sie sich nicht durchringen – weder für die Seite, noch für die Beiträge. Nun könnte man meinen: „Tja, Kollege, dann sind die Beiträge halt nix, oder?!“ Diesen Einwand kann ich aber nicht gelten lassen, denn warum folgen dieselben Menschen den Beiträgen mit absoluter Regelmäßigkeit? Und seien Sie versichert: das tun sie. Wir wollen auch mal den Faktor Konkurrenzdenken außen vor lassen, der implizieren würde, dass man ja immer die Konkurrenz im Auge behalten muss. Ist schon richtig, aber da bin ich ehrlich, so groß ist sie glaube ich nicht, meine Konkurrenz. Kann es nicht viel eher sein, dass wir uns lieber nicht offenbaren wollen? Kann es sein, dass wir schlichtweg zu feige sind, um jemanden zu „liken“ wie man neudeutsch sagt?! Schließlich offenbaren wir ja mit jeder Anerkennung, die wir öffentlich zeigen, auch etwas über uns selbst und vielleicht wollen wir das ja gar nicht? Fragen Sie Sich bitte jetzt einmal, ob das sein kann! Und? Zu welchem Ergebnis sind Sie gekommen? Ich will ein simples Beispiel machen. Als ich das erste Mal allein in Berlin war, gab es die Mauer noch – was für dieses Beispiel allerdings völlig unerheblich ist. Ich war zarte 17 Jahre alt und mit Freunden in einer Clique auf großer Fahrt. Berlin war damals ein noch viel größeres Abenteuer, als es heute ist, und es lag noch ein Wenig der Hauch eines David Bowie, eines Lou Reed oder Nick Cave über der Stadt. Wir kamen aus einer Kleinstadt und waren beinah von allem fasziniert, was da so vor sich ging. Unweigerlich standen wir dann auch einmal vor (ich betone VOR) einem Beate Uhse Laden und begutachteten die Auslage im Fenster. Dabei bemerkte ich, dass die Männer (es waren in der Tat nur Männer, die das Geschäft verließen) ihre Einkäufe in undurchsichtigen Müllbeuteln transportierten – alle, durch die Bank. Die Ware war also neutral verpackt. Der Grund ist klar, man(n) wollte nicht als Beate Uhse Kunde geoutet werden. Ich frage mich, ob die mangelnde Bereitschaft, sich öffentlich zu einem Beitrag, einer Person, einer Gesinnung oder was auch immer, zu bekennen, ähnliche Gründe hat. Wollen wir uns einer möglichen Rechtfertigung vor Dritten entziehen, indem wir zu stillen Konsumenten mutieren? Machen wir uns wieder einmal mehr Gedanken über das Bild, dass Herr oder Frau Normalverbraucher sich von uns machen, als wir das möglicherweise sollten? Sie wissen, mein Fachgebiet ist Authentizitätstraining. Gehört nicht auch zu authentischem Leben dazu, jemandem die Anerkennung zukommen zu lassen, die ihm oder ihr gebührt? Und wenn Sie nun das Bild eines Engels, eines Sportwagens oder von mir aus auch das einer leichtbekleideten Dame oder eines verschwitzten Herrn mit bloßem Oberkörper mit „gefällt mir“ markieren, was soll schon geschehen? Ganz zu schweigen von einem Beitrag, der Ihnen wirklich gefällt? Glauben Sie, Ihr(e) NachbarIn wechselt deswegen morgen die Straßenseite oder tuschelt hinter vorgehaltener Hand? Und wenn schon! Stehen Sie zu Sich und den Dingen, die Ihnen gefallen, die Sie mögen, die Sie bewegen, die Ihnen gefallen. Sie werden merken, wie befreiend das ist. Es macht Sie menschlich und damit authentisch. Und wenn möglicherweise der eine oder andere Mensch daraufhin aus ihrem Bekanntenkreis ausscheidet, dann war er/sie vielleicht dort eh fehlbesetzt? Doch der verehrte Herr Goethe hatte natürlich noch etwas ganz anderes im Sinn, als er seinen Mitmenschen diesen Satz vor die Füße warf: das Resonanzgesetz. Ja, genau, das haben Sie schon so oft gehört! Aber Sie werden lachen, es greift auch hier! Wenn wir etwas gelten wollen, müssen wir andere auch gelten lassen. Senden wir Anerkennung aus, wird uns auch Anerkennung zuteil. Vielleicht merken wir das nicht immer gleich, vielleicht wird uns die Anerkennung auch nicht unbedingt sofort von dem Menschen geschenkt, von dem wir sie doch jetzt gerade so verzweifelt gerne hätten, aber sie kommt – ganz sicher! Also, lassen wir doch die anderen auch etwas gelten, schenken wir Anerkennung. Wir können ja immer noch behaupten, wir tun es schlussendlich für uns selbst...

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